Rund 300 Besucher*innen beim Nachbarschaftsgespräch

Sachlicher Austausch über Plattenhardter Containerdorf

FILDERSTADT. Rund 300 Bürger*innen sind am Dienstagabend der Einladung der Stadtverwaltung Filderstadt zum „Nachbarschaftsgespräch“ in die Weilerhauhalle Plattenhardt gefolgt. Der Gesprächsinhalt: die Errichtung eines temporären Containerdorfs auf dem Weilerhauparkplatz, das voraussichtlich im Februar 2024 mit maximal 130 Geflüchteten belegt wird. Die Veranstaltung verlief sehr ruhig und sachlich.

„Die Welt ist weiterhin in Bewegung“, gab sich Oberbürgermeister Christoph Traub zu Beginn der Veranstaltung realistisch. So sei auch bei der kommunalen Verpflichtung, Menschen in Not aufnehmen zu müssen, kein Ende in Sicht. Dennoch zeige Filderstadt – wie viele andere Städte und Gemeinden in Deutschland auch – den politisch Verantwortlichen sehr deutlich, dass inzwischen die Kapazitäts- und Leistungsgrenzen vor Ort erreicht beziehungsweise erschöpft seien. Dennoch müsse Filderstadt diese humanitäre Pflichtaufgabe erfüllen. Gemeinderat und Verwaltung hätten erneut sehr lange mit sich gerungen, welche Flächen belegt werden könnten.

Hintergrundinfos zur Geflüchteten-Thematik, aktuelles Zahlenmaterial und den Filderstädter Status quo lieferte Christos Slavoudis, der Leiter des Amts für Integration, Migration und Soziales. Er erläuterte unter anderem den so genannten „Königsteiner Schlüssel“, nach dem das Land Baden-Württemberg verpflichtet sei, 13 Prozent der Menschen in Not aufzunehmen, die Zuflucht in Deutschland suchten. Von diesen Personen kämen dann fünf Prozent in den Landkreis Esslingen. Dieser schicke wiederum 8,55 Prozent seiner Zugeteilten in die Große Kreisstadt Filderstadt weiter. Im Klartext bedeutet dies, dass (statistisch gesehen) von 10.000 nach Deutschland geflüchteten Menschen letzten Endes sechs Personen in Filderstadt landen.

Angemessene Verteilung der Standorte

Ein Blick auf das Jahr 2023: Derzeit stammen die meisten Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, dem Irak, Iran,… Christos Slavoudis: „Menschen aus der Ukraine müssen grundsätzlich keinen Antrag auf Asyl stellen. Sie können frei innerhalb Deutschlands reisen und sich selbstständig Wohnraum suchen.“ Natürlich sei es auch ihnen freigestellt, sich in das dreistufige Aufnahmesystem (Landesaufnahmestelle, vorläufige Unterbringung im Landkreis, Anschlussunterbringung in den Städten und Gemeinden) einzugliedern. Filderstadt habe 2022 rund 600 Geflüchtete (darunter über 500 Ukrainer*innen) aufnehmen müssen, 2023 seien es 253 Personen.

Die Stadt Filderstadt verfügt augenblicklich über 25 Anschlussunterkünfte: acht in Bernhausen, neun in Bonlanden, zwei in Harthausen, fünf in Sielmingen und eine Unterbringung in einem Privathaus in Plattenhardt. Da Stadtverwaltung und Gemeinderat die Belegung von Sport- und Mehrzweckhallen unbedingt vermeiden wollen und sehr schnell ein weiterer Standort neben dem ehemaligen Hotel in Bonlanden entwickelt werden muss, fiel schließlich die Entscheidung auf den Weilerhauparkplatz, der in den Jahren 2015/2016 schon einmal als Zelt- und Containerstandort genutzt wurde und als temporäre Unterkunft relativ zügig umsetzbar ist. Zudem strebt die Stadtverwaltung eine angemessene Verteilung der Standorte im Stadtgebiet an.

„Wir wissen nicht, wer tatsächlich kommt“

Zu den baulichen Planungen, die Erster Bürgermeister Falk-Udo Beck den Veranstaltungsbesucher*innen vorstellte: Auf dem Weilerhauparkplatz sollen auf einer Grundfläche von 30 auf 50 Meter ab Ende November/Anfang Dezember insgesamt 80 zweigeschossig angeordnete Miet-Container für maximal 130 Personen in vier Gebäudereihen aufgestellt werden. Die einzelnen Module sind mit einer Dusche, einer Toilette sowie einer kleinen Kochmöglichkeit ausgestattet. Dies vermeide, so Christos Slavoudis, innerhalb der Unterkunft Konflikte und schaffe ein wenig Privatsphäre für die Bewohner*innen. Die Anlage ist so konzipiert, dass sowohl Einzelpersonen als auch Familien untergebracht werden können. 

Die Vorbereitungen (Tiefbauarbeiten) für das eingezäunte Gelände laufen bereits auf Hochtouren: Entwässerung, Frischwasser, Stromzuleitung, Netzanschluss,… Der Plan: Der Bezug des Containerdorfs soll im Februar 2024 erfolgen. Und wer zieht ein? Eine Frage, die Christoph Traub zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten kann: „Wir wissen nicht, wie sich die weltweite Geflüchteten-Herausforderung bis Anfang 2024 entwickelt und wer tatsächlich kommt.“ Darüber werde auch die Stadt erst kurzfristig informiert.

Belegung des Parkplatzes zeitlich begrenzt 

Die Belegung des Weilerhauparkplatzes in Plattenhardt ist temporär – sprich vorerst auf zwei Jahre begrenzt. Der Oberbürgermeister: „Wir müssen in der Zwischenzeit andere Standorte für die Unterbringung von Geflüchteten finden.“ Für die Standzeit ist täglich eine Hausleitung von 7 bis 16 Uhr im Containerdorf. Diese ist Ansprechpartner*in für die Bewohner*innen, die Nachbarschaft und beaufsichtigt die Hausordnung und hygiene sowie den reibungslosen Ablauf in der Unterkunft. Hinzu kommen eine Gebäudefachkraft, Sozialarbeiter*innen der Stadt sowie Ehrenamtliche (beispielsweise des AK Asyl). Deutsch- und Orientierungskurse der Volkshochschule finden direkt vor Ort – sprich „im Haus“ – statt.

Die Konzeption für den Containerstandort beinhaltet auch einen Sicherheitsdienst, der zunächst täglich vor Ort sein wird. Nach positiver Auswertung der Erfahrungswerte ist eine spätere regelmäßige Bestreifung des Quartiers durch die Polizei vorgesehen. Im Rahmen der Veranstaltung haben Anwohner*innen Fragen gestellt und Sorgen geäußert („Gibt es nicht Lücken im Sicherheitssystem?“; „Habe als Mutter Ängste…“; „Kann es sein, dass nur Männer kommen?“; „Was passiert mit den Flüchtlingskindern?“; „Können wir nicht auch Gegenleistungen von den Geflüchteten einfordern?“; „Die Hallen müssen für unsere Kinder und Jugendliche offen bleiben“;…). Oberbürgermeister Traub versicherte unter anderem, dass den Aufgenommenen die hier geltenden Werte vermittelt würden, dass die Stadt durchaus auch so manches von den Geflüchteten erwarte: beispielsweise das Erlernen der deutschen Sprache, die Bereitschaft, Arbeit anzunehmen oder einem geregelten Tagesablauf nachzugehen,… In Sachen Sicherheitsempfinden der Bevölkerung werde die Verwaltung das angedachte Konzept weiterentwickeln.

Jede Sorge wird ernst genommen

Bürgermeister Jens Theobaldt erklärte, dass es aufgrund des derzeit herrschenden Fachkräftemangels in den Kindertageseinrichtungen „sehr unwahrscheinlich“ sei, den Kindern von Geflüchteten einen Betreuungsplatz anbieten zu können. Alternativ kämen im Bedarfsfall ehrenamtliche Spielgruppen (mit Unterstützung von Hauptamtlichen) in Betracht. Hingegen dessen gebe es für Kinder im schulpflichtigen Alter, so Theobaldt, in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht. Hier sei das Staatliche Schulamt zuständig, das in der Regel Vorbereitungsklassen einrichte.

Neben der einen oder anderen geäußerten Sorge meldeten sich aber auch einige Stimmen aus dem Publikum, die ihre Hilfe anboten oder positive Erfahrungen aus der bisherigen Geflüchtetenarbeit mitteilten. DieVerwaltungsspitze versicherte, jeden Einwand sehr ernst zu nehmen und bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Zu guter Letzt trat Jens Fischer, seines Zeichens der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats sowie des AKs Asyl, ans Mikro: „Es ist wichtig, den ankommenden Menschen die Hände zu reichen.“ Dies sei eine Voraussetzung für eine gelingende Integration, für ein gutes Miteinander aber auch für die Vielfalt in der Stadt. Der AK Asyl werde in der Plattenhardter Unterkunft aktiv mitarbeiten und somit vielleicht auch das Sicherheitsgefühl der Nachbarschaft vor Ort weiter stärken. (sk) 

PowerPoint-Präsentation zum Nachbarschaftsgespräch

Interessierte können hier die PowerPoint-Präsentation (PDF, 1,648 MB) nachlesen, die während der Veranstaltung gezeigt wurde.